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Die Geschichte der drei Nüsse

Lea Goldberg, Die Geschichte der drei Nüsse

aus dem Hebräischen von Noa Wagner


Die Geschichte der drei Nüsse

Es war einmal in einem Wald, da lebte ein kleiner Zwerg.
Er wohnte unter einem großen Nussbaum
in einem schönen Haus,
das er selbst gebaut hatte.
Und auf dem Baum hatte auch
ein Eichhörnchen sein Nest.
Im Sommer sprang das Eichhörnchen
von Ast zu Ast und spielte mit den Nüssen.

Doch auf die schöne Zeit folgten regnerische Tage
und der Baum verlor langsam sein Blätterkleid.
Dem Eichhörnchen blieb bald kein Dach über
dem Kopf mehr. Darum ging es zu dem Zwerg
und sagte zu ihm: "Zwerg, Zwerg, nimm mich
in deinem Haus auf bis der Frühling kommt."
Da sagte der Zwerg: "Gut, komm zu mir.
Doch halt, was gibst Du mir dafür?"

Da entgegnete ihm das Eichhörnchen:

"Drei Nüsse aus meinem Besitz übergebe ich
darin drei geheimnisvolle Rätsel befinden sich.
Und siehe ein jeder, der ihr Geheimnis kann entwinden,
kein Glücklicherer auf dieser Welt sich wird finden."

Und so nahm der Zwerg das Eichhörnchen gerne in seinem Haus auf und wie versprochen brachte es dem Zwerg drei Nüsse:

Die erste so groß wie eine Erbse,
die zweite so groß wie ein Ei
und die dritte Nuss war riesengroß, wie eine Pampelmuse.

Das Eichhörnchen ermahnte den Zwerg: "Achte gut auf die Nüsse!
Es wird der Tag kommen, da werden sie dir hilfreich sein und dann wirst du zu schätzen wissen, dass ich sie dir gegeben habe.

Denn denk immer daran,
dies scheinen nur drei einfache Nüsse zu sein,
doch darin verbergen sich geheimnisvolle Rätsel
und siehe ein jeder, der ihr Geheimnis kann entwinden,
kein Glücklicherer auf der Welt sich wird finden."

Sogleich versteckte der Zwerg die Nüsse gut auf dem Dachboden seines Hauses und das Eichhörnchen wohnte bei ihm bis der Frühling kam.

Und als der Frühling hereinbrach, sagte das Eichhörnchen zum Zwerg: "Danke für die Gastfreundschaft."
Und es sagte außerdem: "Leb' wohl"
Und mit diesen Worten verließ es den Zwerg.

Die drei Nüsse aber blieben in ihrem Versteck auf dem Dachboden des kleinen Hauses und der Zwerg achtete gut auf sie.



Eines Morgens erwachte der Zwerg aus dem Schlaf,
warf einen Blick aus seinem Fenster und sah drei Männer,
die auf ihn zukamen mit Äxten in ihren Händen.

Da rief der Zwerg:
"Leute, Leute, wozu
kommt ihr denn hierher?"
Da sagten die Männer:
"Wir kommen, um alle Bäume
des Waldes zu fällen!"

Der Zwerg begann daraufhin bitterlich zu weinen, er weinte große Tränen und schluchzte: "Ihr lieben Männer, erbarmt euch meiner, dem kleinen Zwerg, rodet nicht den ganzen Wald!"

Die Männer antworteten: "Doch, so soll es geschehen, denn ein großer Fürst schickt uns und er befahl: 'Fällt alle Bäume des Waldes, denn aus ihnen will ich einen großen Palast bauen.'"

Da sagte der Zwerg: "Und was gibt euch der große Fürst, wenn ihr alle Bäume fällt?" Sie erwiderten: "Silbertaler versprach er uns dafür zu geben. Silbertaler für jeden Einzelnen. Und von dem Geld kaufen wir uns nur das Beste."

Da entgegnete ihnen der Zwerg: "Ich will euch ein schönes Geschenk geben, wenn ihr den Wald verschont."

Die Männer fragten: "Und was gibst du uns dafür?"

Daraufhin sprach der Zwerg:

"Drei Nüsse aus meinem Besitz übergebe ich,
darin drei geheimnisvolle Rätsel befinden sich.
Und siehe ein jeder, der ihr Geheimnis kann entwinden,
kein Glücklicherer auf der Welt sich wird finden."

Da antworteten ihm die drei Männer: "Gut, gib uns diese Nüsse und wir werden die Bäume verschonen."
So stieg der Zwerg auf den Dachboden seines Hauses und holte die drei Nüsse, die das Eichhörnchen ihm gegeben hatte.

Die Männer nahmen sie an sich und gingen davon.

Der Zwerg aber war mit einem Mal so glücklich, er tanzte aus größter Freude und sang dabei dies Lied:

"Es waren einmal drei Nüsslein fein,
in denen befanden sich geheimnisvolle Rätselein,
doch ich hab mich ihrer Lösung gestellt,
nun ist keiner glücklicher als ich auf der Welt."

Die drei Männer gingen zurück zu ihrem Herrn und die Nüsse trugen sie bei sich. So kamen sie am Palaste des Fürsten an. Als der Fürst sie erblickte, wunderte er sich sehr und fragte sogleich:

"Habt ihr denn schon alle Bäume des Waldes gefällt?"

Die Männer antworteten ihm: "Vergib uns, vergib uns großer Fürst, wir haben keinen einzigen Baum gefällt."

Sogleich brach der Fürst in großen Zorn aus und schrie: "Wie könnt ihr es wagen! Faulpelze! Unverschämte Bande!

Ich schickte euch meine Eichen zu schlagen! Die Eichen zu schlagen und die Nussbäume zu schlagen und ihr steht hier rum und keiner von euch kriecht vor mir auf den Knien? Wie tretet ihr denn vor mich? Wie könnt ihr diese Unverschämtheit nur wagen?"

Da flehten die Männer: "Oh Fürst, Fürst, bitte zürne uns nicht!"

Doch der Fürst begann zu weinen und schluchzte: "Was habt ihr mir angetan! Ich schickte euch Bäume zu fällen, um einen schönen Palast zu bauen. Denn die Dame meines Herzens, die ich liebe, die schön von Aussehen und schön von Gestalt ist, sagte mir, dass sie mich nicht heiraten wird, solange ich nicht für sie einen Palast gebaut habe, schöner als alle Paläste des Landes."

Die Männer trösteten den Fürst: "Weine nicht, oh Fürst, wir bringen dir einen Schatz, der besser ist als alle Paläste der Welt. Wenn du ihn deiner Angebeteten gibst, wird sie dich sofort heiraten und liebend gerne deine Frau sein."

Da leuchteten die Augen des Fürsten und er rief: "Gebt mir sofort diesen Schatz!"

Und die Männer holten die drei Nüsse hervor und sprachen:

"Diesen Schatz übergeben wir dir, doch gib einem jeden von uns zwei Silbertaler dafür."

Der Fürst aber fragte: "Und was genau ist euer Schatz?"

Da sprachen die Männer im Chor:

"Ein kleiner Zwerg, tief im Walde wohnend
gab uns den Schatz, auf dass wir dessen Bäume verschonen.
Sieh her und schau aus unserem Besitz drei Nüsse für dich,
darin drei geheimnisvolle Rätsel befinden sich.
Und siehe ein jeder, der ihr Geheimnis kann entwinden,
kein Glücklicherer auf der Welt sich wird finden."

Der Fürst nahm sofort die drei Nüsse und gab jedem der Männer die geforderten zwei Silbertaler.

Die Männer gingen nun freudig und fröhlich ihren Weg und kauften von ihrem Lohn was immer ihr Herz begehrte und hatten alles was sie zum Leben brauchten.

Sogleich marschierten sie davon und sangen dies Lied:

"Es waren einmal drei Nüsslein fein,
in denen befanden sich geheimnisvolle Rätselein,
doch wir haben uns ihrer Lösung gestellt
nun ist keiner glücklicher als wir auf der Welt.

Der Fürst besuchte sogleich seine Liebste
und umwarb sie:
"So werde nun meine Frau!"

Doch sie sprach:
"Und wo ist der Palast,
den du mir versprochen hast?"

Der Fürst antwortete:
"Weh mir,
denn keinen Palast baute ich dir!"

Da entgegnete ihm die Schöne:
"So werde ich auch nicht deine Frau, hinfort!
Denn du versprachst mir einen Palast
und hieltest nicht dein Wort."

Der Fürst aber erhob seine Stimme und sprach: "Was ich für dich habe ist größer und besser als jeder Palast, denn schöne Paläste haben viele Fürsten und ihre Gemahlinnen. Jedoch einen Schatz wie den meinen hat kein Mann sonst auf dieser Welt und ich will ihn dir zum Geschenke überreichen."

Die Schöne fragte sogleich: "Und was genau ist dein Schatz?"

Da sagte der Fürst:

"Drei Nüsse aus meinem Besitz übergebe ich
darin drei geheimnisvolle Rätsel befinden sich.
Und siehe ein jeder, der ihr Geheimnis kann entwinden,
kein Glücklicherer auf der Welt sich wird finden."

Und so nahm die Umworbene die Nüsse und heiratete den großen Fürsten.

Und beide waren fortan sehr glücklich. Die Frau des Fürsten legte die drei Nüsse auf einen silbernen Teller und versteckte sie gut im Schrank bis ihre Zeit kommen sollte und dachte bald nicht mehr an sie.

Im folgenden Jahr wurde dem Fürst und seiner Gattin ein Büblein geboren. Und das Kind war gesund und schön von Gestalt und der ganze Stolz seiner Eltern.

Und eines Tages, als der kleine Prinz fünf Jahre alt war, gingen sein Vater und seine Mutter aus und ließen ihn allein im Palast zurück.

Das Kind spielte ausgelassen und rannte im ganzen Palast herum von Zimmer zu Zimmer und betrat schließlich das Zimmer seiner Mutter. Dort öffnete es neugierig einen der Schränke der Mama und fand dort die drei Nüsse auf dem Silberteller.

Die erste so groß wie eine Erbse,
die zweite so groß wie ein Ei
und die dritte Nuss war riesengroß, wie eine Pampelmuse.

Da sagte sich das Kind: "Was für schöne Nüsse, ich werd sie nehmen und essen."

Also ging es in die Küche, nahm einen Hammer, legte die Nüsse auf den Fußboden und schlug mit dem Hammer darauf. Die Schale warf es fort und aß ihr Inneres.

Die Nüsse schmeckten so gut, dass das Kind mit einem Mal sehr glücklich war.

Da kehrten auch schon Papa und Mama nach Hause zurück und fragten ihren Sohn:

"Na, was hast Du gemacht?"

"Ich hab drei Nüsse gegessen", antwortete der Prinz.

Da schrien seine Eltern auf und riefen:

"Wieso gerade drei? Genau diese drei dürfen niemals verzehrt werden!"

Ein schlimmes Malheur geschah den drei Nüssen,
denn wer wird nun ihr Geheimnis wissen?
Der kleine Bub hat sie gegessen und das Geheimnis entdeckt,
der größte Glückspilz der Welt ist er, denn sie haben köstlich geschmeckt.


Lea Goldberg, Ma’ase bischloscha egosim, Bnei-Brak 2007.



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