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Analyse al-Manār

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Analyse des Artikels aus der Zeitung al-Manār

Der Artikel „Vertreibung, Asyl und Gefahren im Libanon“ wurde von Dr. Ghāzī Waznī verfasst und am 11. April 2016 in der Zeitung al-Manār veröffentlich. Dr. Ghāzī Waznī tritt in den libanesischen Medien als Finanzexperte auf. In diesem Artikel befasst er sich mit den Folgen, die die Aufnahme von syrischen Geflüchteten mit sich bringe. Der Artikel beginnt mit einem kurzen Vorwort, in dem aus Sicht des unbekannten Autors die Probleme des Libanons dargestellt werden (Übersetzung). Im März 2016 reiste der UN-Generalsekretär Ban Ki-moon in den Libanon, um sich die Situation der Geflüchteten zu vergegenwärtigen. Dabei rief er nach Berichten des UNRIC dazu auf, sich bezüglich des Krieges in Syrien neutral zu verhalten (Ban Ki-moon ermahnt Libanon zur Neutralität 2016). Nach Angaben des Autors besteht die Befürchtung Libanons darin, dass die syrischen Geflüchteten nach UN-Konvention den offiziellen Flüchtlingsstatus erhalten könnten, was die Ausweisung erheblich erschweren würde (Übersetzung). Nach UN-Konvention wird zwischen Flüchtlingen und Vertriebenen unterschieden.

Dr. Ghāzī Waznī führt nun fünf Folgen aus, die sich für den Libanon durch die Aufnahme von zahlreichen Geflüchteten ergeben, und macht einen Vorschlag, wie sich die ergebenden Probleme seiner Ansicht nach lösen ließen. Zunächst geht er auf die wirtschaftlichen Folgen ein und betitelt den wirtschaftlichen Verlust auf etwa 13,1 Milliarden Dollar. Nach Angaben der Weltbank verfolgt diese vier strategische Ziele. Dazu zählen die Stärkung der Finanzverwaltung, die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit und der Infrastruktur, Investitionen in Bildung und ein Sozialsystem (The Worldbank Lebanon 2016). So konnte vor allem auch die Infrastruktur verbessert werden, sodass Wege und Straßen zu den Camps mit Straßenlaternen beleuchtet werden. Dr. Ghāzī Waznī betont deutlich den massiven wirtschaftlichen Verlust, zeigt jedoch auch die positiven Entwicklungen, wie den Anstieg von Investitionen (Übersetzung). Auch bezüglich der demographischen Entwicklung zeichnet Dr. Ghāzī Waznī ein negatives Bild. Nach Angaben der UN-Flüchtlingshilfe nahm der Libanon bisher im Verhältnis zu seiner Bevölkerungszahl die meisten syrischen Geflüchteten auf. So kommen auf 1.000 libanesische Staatsbürger*innen 183 Geflüchtete (UN-Flüchtlingshilfe 2015). Polemisch macht Dr. Ghāzī Waznī deutlich, dass die zahlreichen Geflüchteten zu einer „Überbevölkerung im Libanon“ führten (Übersetzung). Besonders fällt auf, dass er die Zahlen der Geflüchteten und der Bevölkerungsdichte Libanons mit der Türkei und Jordanien vergleicht und zu dem Schluss kommt, dass im Verhältnis zu den beiden anderen Ländern das größere Übel getroffen habe. Hier wird deutlich, dass er den Libanon im Vergleich benachteiligt sieht. Dabei geht er jedoch nicht darauf ein, dass die UN beispielweise bei den Libanon-Konferenzen in Paris massive Hilfeleistungen beschlossen haben. Zudem stellt sich die Frage, inwiefern die politische, wirtschaftliche und soziale Lage Libanons vor dem syrischen Bürgerkrieg stabil gewesen war oder die sozialen Probleme, die Dr. Ghāzī Waznī beschreibt, sich durch die Aufnahme der syrischen Geflüchteten verschlechtert haben, jedoch schon vorher bestanden.

Auch die Ursache für den Anstieg der Arbeitslosigkeit sieht er in dem Zustrom der Geflüchteten. Da jedoch die Aufnahme einer beruflichen Tätigkeit für Geflüchtete von einigen Faktoren wie etwa dem Aufenthaltsstatus und dem Gesundheitszustand abhängt, ist es nicht verwunderlich, wenn ein Großteil der Geflüchteten zunächst einmal arbeitslos ist. Dr. Ghāzī Waznī kritisiert, dass 62% der registrierten syrischen Geflüchteten im arbeitsfähigen Alter seien. „Genauso ist die Vertreibung der Syrer Ursache für den Anstieg der Armen im Libanon von 28% um etwa 160.000 Personen auf 32% der Libanesen.“ (Übersetzung) Ein Anstieg dieser Rate um 4% erscheint viel, jedoch bleibt bei seinen Ausführungen unklar, auf welche Quelle er sich beruft, sodass sich nicht nachprüfen lässt, wie und von wem diese Werte errechnet wurden. Auch die Definition „der Armen“ fehlt hier. Zudem ist fraglich, ob den Geflüchteten die Verantwortung für diesen Anstieg übertragen werden kann oder ob sich die Zahlen durch die schon seit langem schwierige und politisch angespannte Lage Libanons erklären lassen.

Auch in seinen Ausführungen über die seiner Ansicht nach geringen Hilfeleistungen der internationalen Gemeinschaft wird deutlich, dass er eine Benachteiligung vor allem gegenüber der Türkei sieht. „Dahingegen hat die Türkei durch Erpressung [arab. ibtizāz; Anmerkung der Übers.] der internationalen Gemeinschaft mithilfe der Öffnung der Grenzen für Geflüchtete nach Europa, Finanzhilfen in Höhe von 3 Milliarden Euro und dazu die Abschaffung der Visapflicht für ihre Bürger bei Reisen in die EU erzielt.“ (Übersetzung) So würden die Hilfeleistungen nur etwa 40% der Ausgaben Libanons für die Geflüchteten decken. Jedoch kritisiert Dr. Ghāzī Waznī auch die libanesische Regierung und deren Behörden, die seiner Ansicht nach durch die interparteilichen Konflikte nicht genügend Hilfen akquirierten.

In seiner abschließenden Empfehlung wird seine politische Position noch einmal deutlich. Darin ruft Dr. Ghāzī Waznī die libanesische Regierung auf, die politische Stabilität des Libanons wieder herzustellen. In diesem Artikel stellt er dar, dass der Libanon seiner Meinung nach von der internationalen Gemeinschaft zu wenig unterstützt und im Vergleich zu anderen Ländern benachteiligt wird. Hier ist die anti-westliche Einstellung der Zeitung al-Manār erkennbar. Seine wichtigste Forderung ist die Rückführung der Geflüchteten in ihre Heimatländer (Übersetzung). Es ist fraglich, ob dies zum einen in näherer Zukunft eine realistische Möglichkeit ist und ob sich dadurch die politischen und wirtschaftlichen Probleme Libanons lösen lassen.

 

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