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Kontextualisierung

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Kontextualisierung

Die größten Machtblöcke in Syrien

Der Krieg in Syrien ist ein Stellvertreterkrieg ausländischer Mächte, ein Krieg zwischen dem Regime und dem Aufstand eines Volkes und zugleich ein Krieg zwischen verschiedenen Völkergruppen (Gerlach 2016:7). Vor allem die Interessensgruppen, die finanzielle und militärische Unterstützung aus dem Ausland bekommen oder die lokale Bevölkerung für sich gewinnen konnten, haben sich im Kriegsgeschehen als ernstzunehmende Akteure durchsetzen können. Die sechs Machtblöcke sind:

  1.  das syrische Regime
  2.  die salafistische Rebellenfront - angeführt von der Armee des Islam[1] und den Freien Männer Syriens[2]
  3.  die an-Nusra Front[3]
  4.  der Islamische Staat - IS[4]
  5.  die Freie Syrische Armee - FSA,
  6.  die Partei der demokratischen Union - PYD

Diese sechs Hautgruppen werden von unterschiedlichen ausländischen Interessensgruppen unterstützt. Beispielsweise wird das syrische Regime von der libanesischen Hizbollah[5] und dem Iran unterstützt, wohingegen Saudi-Arabien, Katar und die Türkei salafistischen Gruppen zur Seite stehen (Gerlach 2016:8). Ein neues Militärbündnis auf dem Kriegsfeld bilden die Demokratischen Kräfte Syriens – kurz DKS. Diese werden von der USA unterstützt.

 

Ziele der kurdischen Parteien in Syrien

Partei der demokratischen Union - PYD

Die PYD verfolgt die Etablierung eines eigenen politischen Projekts im Norden und Nordosten Syriens - ein autonomes Kurdengebiet in Syrien (Gerlach 2016:9). Dabei führt sie Krieg gegen alle Oppositionen, um Territorien im Norden und Nordosten zu besetzen sowie die Bevölkerung und Ressourcen zu verteidigen. Der bewaffnete Arm der PYD heißt YPG (Volksverteidigungseinheiten). Der Islamische Staat entwickelte sich im nordöstlichen Gebiet zu einem Hauptgegner der PYD. Die PYD wirft der Türkei vor, den IS aus strategischen Gründen unterstützt zu haben (Selcuk 2015:40).

Das syrische Regime und die PYD – Verbündete?

Die Kooperation der kurdischen Partei mit dem syrischen Regime ist davon abhängig, ob es für ihr Projekt nützlich ist oder nicht. Die Kooperation ähnelt einer „Zweckgemeinschaft“, da sie sich gegenseitig Vorteile verschaffen können. Ideologisch haben sie kein gemeinsames Ziel. Im Falle, dass Assad stärker wird, ist unklar wie sich das auf die PYD auswirken könnte (Selcuk 2015:45). Rebellen, die gegen das Assad Regime kämpfen, kritisieren die PYD für ihre kooperative Haltung mit dem Regime. Zugleich wird die PYD in der syrischen Zivilbevölkerung dafür gewürdigt, dass sie effektiv gegen den IS kämpft und eine säkulare Politik betreibt (Seufert 2015:6).

Die Demokratischen Kräfte Syriens

Die Demokratischen Kräfte Syriens sind ein strategisches Militärbündnis aus kurdischen und arabischen Rebellengruppen, die gemeinsam gegen den IS kämpfen.[6] Zu dem Bündnis zählt die YPG, die „Armee der Revolutionäre“ - eine Rebellengruppe der FSA - sowie die Assyrische Miliz. Letztere ist ein Zusammenschluss von ChristInnen im Norden von Syrien, dessen primäres Ziel es ist, sich gegen salafistische Gruppen, insbesondere dem IS, zu verteidigen.

 

Ausländische Interessen im Syrienkrieg

Die unterschiedlichen ausländischen Bündnisse und Interessen im Syrienkrieg sorgen dafür, dass der Konflikt weiter andauert (Gerlach 2016:9).

USA

Die USA rechtfertig ihr Eingreifen in Syrien damit, dass sie den Terror in der Region bekämpfen wollen. Daher unterstützt sie die Demokratischen Kräfte Syriens, darunter auch die YPG, mit Luftwaffeneinsätzen im Kampf gegen den IS. Zudem sind direkte Waffenlieferungen im Gespräch (Spiegel Online 2015). Die USA und die EU fordern Russland dazu auf, gemeinsam den IS zu bekämpfen. Kritisiert wird die USA vor allem von der Türkei aufgrund der Nähe der YPG und der PKK. Die USA würden aus Sicht der Türkei, indirekt terroristische Gruppierungen in Syrien unterstützen.

Russland

Russlands militärische Unterstützung kommt dem syrischen Regime zugute. Russland ist in erster Linie daran interessiert, Assad an der Macht zu halten, weswegen der Kampf gegen den IS zunächst keine Priorität hat. Beispielsweise befindet sich in der Stadt Tartus an der Mittelmeerküste ein russischer Marinestützpunkt, der gesichert werden soll. Auch das Interesse an der Aufrechterhaltung von bilateralen Handelsbeziehungen sorgt dafür, dass Russland zum wichtigsten Waffenlieferant der syrischen Regierung geworden ist. Russland fordert von der USA ein Ende der Kooperation mit dem Militärbündnis der Demokratischen Kräfte Syriens, welches Rebellengruppen miteinschließt die gegen Assad kämpfen (Welt 2015).

EU

Die EU hat, wie die USA, großes Interesse daran, den Terror in der Region einzudämmen. Insbesondere die Terroranschläge von Paris führten dazu, dass Frankreichs Präsident François Hollande sich aktiv ins Geschehen miteinbrachte und 2014 eine Allianz gegen den IS gründete. Dem Bündnis schlossen sich weitere europäische Länder an. Nicht alle beteiligen sich aber militärisch an der Bekämpfung des IS. Die EU hat vor allem ein Interesse an einem Frieden in der Region, da sie weitere Fluchtströme aus dem Kriegsgebiet und vermehrte Terroranschläge in Europa fürchten. Die EU scheint allerdings sowohl finanziell, als auch politisch, mit der Situation überfordert zu sein.

Türkei

Die kurdischen Gruppierungen in Syrien werden von der türkischen Regierung als Bedrohung wahrgenommen. Die türkische Regierung kritisiert die Kooperation zwischen dem kurdischen Militärbündnis in Syrien und der USA. Seit Oktober 2014 unterstützt die USA diese mit Luftwaffeneinsätzen. Durch die Nähe zur PKK wirft die Türkei der USA vor, mit terroristischen Organisationen in Syrien zu kooperieren. Sie fürchtet zudem ein Erstarken der Autonomiebestrebungen in der Region, insbesondere durch eine wohlgesinnte westliche Positionierung zur Kurdenpolitik in Syrien. Gegenüber dem IS hat die Türkei daher eine pragmatische Position eingenommen. Viele Kämpfer/innen des IS kamen über die Grenzen der Türkei nach Syrien, auch der Waffenschmuggel entlang der Grenze ist bekannt. Außerdem ist die Türkei für die Behandlung von verwundeten IS Kämpfer/innen scharf kritisiert worden. Offiziell erklärt die Türkei den IS zum Feind, aber bei Angriffen gegen den IS werden nicht selten auch kurdische Stellungen getroffen.

Im Januar 2015 ist im Norden Syriens die autonome Selbstverwaltung Rojava ausgerufen worden. Rojava ist kurdisch und bedeutet übersetzt „Westkurdistan“. Es umfasst die syrischen Gebiete Afrin, Kobane und Cezire im Norden/Nordosten (Selcuk 2015:37) Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan kommentierte Ende Januar 2015 dies Entwicklung unmissverständlich als inakzeptable für die Türkei (Gübery 2015:6).

 

Literaturverzeichnis

Ayalon, Ami (1995): The Press in the Arab Middle East. A History, New York/Oxford.

Dajani, Nabil (2013). The Myth of Media Freedom in Lebanon. In: Academic Journal      (Hrsg.): Arab Media and Society, Issue 18, Summer 2013, Veröffentlichungsort           unbekannt, S. 1-9.  http://www.arabmediasociety.com/articles/downloads/20130610081413_Dajani_Na              bil.pdf, 30.9.16.

Ernst, Oliver (2016): Die Kurdenfrage in der Türkei und der Krieg in Syrien. In:        Bundeszentrale für politische Bildung (Hrsg.): Aus Politik und      Zeitgeschichte.            Syrien, Irak und Region, 66. Jahrgang, 8/2016, Bonn. S. 32-38.               file:///C:/Users/krame/Downloads/APuZ_2016-08_online_v2.pdf, 28.9.16.

Gerlach, Daniel (2016): Was in Syrien geschieht. In: Bundeszentrale für politische Bildung            (Hrsg.): Aus Politik und Zeitgeschichte. Syrien, Irak und Region, 66. Jahrgang,        8/2016, Bonn. S. 7-13. file:///C:/Users/krame/Downloads/APuZ_2016-              08_online_v2.pdf, 20.9.16.

Gübery, Gülistan (2015): Widerstand der Kurden gegen den IS: Neue Chancen für    die Unabhängigkeit. In: German Institut of Global Area Studies – GIGA (Hrsg.):          GIGA    Focus Nahost 3/2015, Hamburg.  S. 1-8 http://www.ssoar.info/ssoar/bitstream/handle/document/43114/ssoar-2015-gurbey- Widerstand_der_Kurden_gegen_den.pdf?sequence=1, 28.9.16.

Nötzold, Katharina (2015): Libanon. Freie Medien im Dienste ihrer Zahlmeister. In: Carola           Richter/Asiem El Difraoui (Hrsg.): Arabische Medien: Eine Einführung,           Konstanz/München, S.215-226.

Selcuk, Müzehher (2015): Die Hegemonie der PYD unter den Kurden Syriens und ihr            Verhältnis zur PKK und zu Damaskus, in Günter Seufert (Hrsg.): Der Aufschwung    kurdischer Politik. Zur Lage der Kurden im Irak, Syrien und der Türkei, Berlin. S.               37-46. http://www.swp-   berlin.org/fileadmin/contents/products/studien/2015_S10_srt.pdf, 30.9.16.

Seufert, Günter (2015): Der Aufschwung kurdischer Politik. Zur Lage der Kurden im Irak,   Syrien und der Türkei, SWP-Studien 2015, Berlin. http://www.swp-   berlin.org/fileadmin/contents/products/studien/2015_S10_srt.pdf, 30.9.16.

Völkel, Jan Claudius (2008): Die Vereinten Nationen im Spiegel führender arabischer              Tageszeitungen, Wiesbaden.

Witsch, Kathrin (2015): Türkei und der Kurdenkonflikt. Die Gesichter Kurdistans. In:      Handelsblatt, URL: http://www.handelsblatt.com/politik/international/tuerkei-und-              der-kurden-konflikt-die-gesichter-kurdistans/12123358.html, 25.9.16.

Zeitungsartikel

 „Kampfansage an Dschihadisten Syriens Kurden und Araber schmieden Allianz gegen den           IS“, 12.10.15, Spiegel Online, URL: http://www.spiegel.de/politik/ausland/is-          islamischer-staat-kurden-und-araber-gruenden-neues-buendnis-a-1057314.html,               zuletzt zugegriffen am 26.9.16.

 „Kampf gegen Terrormiliz. Syrische Kurden und Araber verbünden sich gegen IS“,             12.10.15, Welt, URL:    https://www.welt.de/politik/ausland/article147494947/Syrische-Kurden-und-  Araber-verbuenden-sich-gegen-IS.html, zuletzt zugegriffen am 28.9.16.

„Terrormilizen Al-Kaida und Al-Nusra trennen sich“, 28.7.16, Zeit Online, URL:   http://www.zeit.de/politik/ausland/2016-07/syrien-dschihad-al-nusra-al-kaida-              terrormiliz-trennung, zuletzt zugegriffen am 27.9.16.  

 

Anhang 



Syrien - Fraktionen

 

 

Van Linge, Thomas (2016): New Syria map dd September 1, 2016 by @arabthomness.        Online verfügbar unter: https://pietervanostaeyen.com/2016/09/01/syria-map-              update-dd-september-1-2016/#comments. Zuletzt zugegriffen am 25.9.16.

 

 

 

[1] Arabisch: Dschaisch al-Islam.

[2] Arabisch: Ahrar asch-Schām.

[3] Die an-Nusra Front ist ursprünglich ein Ableger der al-Qāʿida. Der vollständige Name der Gruppierung lautet: Dschabhat an-Nusra li Ahl asch-Schām, dt.: „die Front der Unterstützer für das Volk Groß-Syriens“. Die an-Nusra Front kooperierte zweitweise mit der salafistischen Rebellenfront. Seit Juli 2016 soll sich die an-Nusra Front aber von der al-Qāʿida gelöst haben, um ein neues Militärbündnis mit salafistischen Gruppierungen zu gründen. (Vgl. Zeit Online 2016)

[4] Mittlerweile auch unter der arabischen Abkürzung „Daesh“ bekannt. Der Name lautet im Arabischen ad-Dawla al-Islamiya, dt.: Islamischer Staat.

[5] Die Hizbollah ist eine schiitische Miliz im Libanon, die als politische Partei mittlerweile aber auch in der libanesischen Nationalversammlung vertreten ist. Die Miliz (nicht die Partei) wird international als Terrororganisation gelistet.

[6] Die geografische Übersicht im Anhang veranschaulicht das Territorium, das von den demokratischen Kräften Syriens verteidigt wird.

 

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