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Samsons Liebe

Lea Goldberg, Samsons Liebe

aus dem Hebräischen von Jan Wacker


1. Beginn

Kameltreiber erzählten in einer Herberge,
Eseltreiber machten Spaß,
Geredet wurde über Samson in einer Herberge:
Keiner wie er, einzig, einmalig war er.
Sein Arm war wie ein eherner Schmiedehammer,
Seine Faust wie ein Vorschlaghammer,
Seine Stärke fand Form in der Schlauheit,
Und es floh der Feind vor ihm wie ein Hase.
Denn er fing Füchse im Wald
Ihre Schwänze fingen Feuer,
Aber verbrannt wurde auch das Haus seiner Frau,
Denn sie täuschte ihn, die buhlende junge Kuh.
Kameltreiber erzählten in einer Herberge,
Eseltreiber machten Spaß,
Sein Name ging von Herberge zu Herberge,
Denn stark, denn ein Held, denn einmalig war er.
Ihren Mund rissen sie auf, die Narren,
Die Weisen schüttelten den Kopf,
Und sogar die Hauptmänner der Philister
priesen ihn in der Öffentlichkeit.
Und es wurde ihm der Richterstab gegeben
Und Stämme und Völker erzitterten,
Und bei Schlachten und Gastmählern wurde darüber geredet,
Denn ein Held, denn ein Herrscher, denn ein Fürst war er.
Und vielleicht wusste er auch nicht,
dass sein Recht das Recht eines Naziräers und Sehers war,
denn schlicht wie die Lösung aller ihm gegebenen Rätsel
war sein zerbrechliches Herz in der Brust.


2. Epigramm

Der Honig wird süß im Aas der jungen Löwen
Aber das Herz ist schwach im Leib der Helden.
Dies erzählten die Töchter, nah und fern:
Wahrlich, aus Starkem wird Süßes hervorgehen.


3. Töchter Philistäas

Und bei Schlachten und Gastmählern wurde erzählt,
Und die Geschichte wurde zur Tradition –
Wie er die Seile, den Strick, wie Flachs zerriss,
die geflochtenen Stricke wie leinenes Werg.
Ging er vorüber standen Frauen am Fenster
Blickten hinaus in Begierde und Furcht,
Töchter Azas und Töchter Ashqelons,
verheiratete Frauen und auch Huren – ausnahmslos.
Und in ihrem Mund brannte die üble Nachrede
Wenn sie ihn sahen, wenn der Jüngling eintrat:
Wie er das Frauengemach um Mitternacht verließ.
Und mit seinen Schultern das Tor aus den Angeln hob.
In jedem Haus gab es ein junges Mädchen,
Die in die Ohren ihrer Schwester flüsterte:
"Er lag in den Armen der Hure
Und unsere Stadt ist unbefestigt, erobert."
Und seine Gestalt verschwindet im Fenster
Und verliert sich auf dem Königsweg,
Töchter Azas und Töchter Ashqelons
Kehrten zum Webstuhl zurück, zur Spindel.
Sie saßen und spannen den Flachs,
Sie flochten Seile wie jene,
Die alle Helden der Philister
in ihren kühnsten Träumen nicht zerreißen würden.


4. Der Honig

Und er ging immer weiter und aß
Und aus seinen Händen tropfte der Honig.
Und er freute sich über seine Kraft, denn sie war groß,
Und er freute sich über sein Geheimnis, denn es war sicher.
Und er ging direkt nach Rama
Und in seinem Herzen war sowohl Lösung als auch Rätsel,
Und golden waren die Strahlen der Sonne
In den Tropfen des Honigs, den er schleuderte.
Und er brachte ihn zu seinem Vater und seiner Mutter,
Den Honig des Opfers, zur Wohnstätte des Armen,
Und sie aßen ihn, denn er schmeckte gut.
Und mit ihm stiegen sie hinab zum Haus des Timniters.
Und er ging und hatte eine neue Lösung
Für das Rätsel, wie ein Wurm in der Frucht.
Die Frau, süßer als Honig
Und der Trieb stärker als ein Löwe.


5. Lied der jungen Frauen

Sieben Zöpfe auf deinem Kopf, Samson,
Wie Sonnenstrahlen um deinen Kopf, Samson,
Schöne, junge Frauen verlieren sich in deinem Schoß, Samson,
Wir, das Haus deiner Mutter, liebten dich am gestrigen Abend, Samson.
Und er verließ das Dorf, der Held, o weh,
Und der Held verliebte sich in die Tochter eines Fremden, o weh!
Hüte dich vor der Tochter der Unbeschnittenen, Samson,
Vor Zauberblicken, vor Fesseln, Samson,
Stell ihnen doch ein Rätsel, lass sie raten ein Rätsel, Samson.
Jage doch Füchse im Wald, Samson.


Und er verließ das Dorf, der Held, o weh,
Und der Held verliebte sich in die Tochter eines Fremden, o weh!


6. Und er liebte eine Frau im Wadi Soreq

Sieben Wege führen aus dem Dorf hinaus.
Auf ihnen geht jener, der leichtfertig und unbedacht ist.
Aber Samson wählt nur den einen Weg,
Bis zum Wadi Soreq.


7. Delilah

Er wusste wohl, dass sie ihn betrog,
Er unterwarf sich der Schmeichelei der Zunge,
Er wusste, dass er von ihrer Hand sterben würde –
Philister über dir, Samson.
Aber er legte sich immer wieder in ihren Schoß
Er erblickte sein Bild in ihrer Pupille.
Denn trotz all ihrer Treulosigkeit war sie süß –
Philister über dir, Samson.
Denn er eroberte sie wie man seine Feinde erobert
Jede Nacht war ihm wie die erste Nacht
Und er jauchzte, Schrecken in seinem Herzen –
Philister über dir, Samson.
Erst als die wilde Horde kam,
Als ihre Liebe ihn ins Angesicht schlug,
Öffnete er seine Augen und sah …
Doch ihre Gefährten stachen ihm die Augen aus.

(1955)


Lea Goldberg, Ahavat Schimschon, in: Malka Shaked, La-nezach anagnech – Anthologia (Auf ewig will ich dir singen – Anthologie), Jerusalem 2005, 196-200.



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