Über mich
Lea Goldberg, Über mich
aus dem Hebräischen von Eva Maria Österle
1.
Meine Zeit ist eingeeprägt in meine Poesie
wie die Jahre in die Ringe des Baumes
wie die Lebensjahre in die Falten meiner Stirn.
Ich habe keine schwierigen Worte
Ventil eines Wachtraums
meine Bilder
sind durchsichtig wie Kirchenfenster
durch sie
kann man sehen
wie das Licht des Himmels sich ändert
und wie sie fallen
meine Lieben
wie sterbende Vögel.
2.
Einfach
In einem Land war Schnee
in einem anderen waren Disteln
und ein Stern aus dem Fenster des Flugzeugs
in der Nacht
über vielen Ländern.
Diese Worte kamen zu mir
und befahlen mir: Sing!
Und sie sagten: Worte sind wir!
Und ich ergab mich und sang sie.
Desweiteren war da eine lange Brücke
und eine Laterne jenseits der Brücke
und der Mann kam mir nicht näher
und ich sagte: er kommt mir nicht nahe
3.
Es ist nicht notwendig
auch nicht in den Stunden der Erniedrigung
auch nicht in dern Stunden des Hochgefühls
auch nicht in den Stunden der Qual
Seitdem ist das Band besiegelt
zwischen mir und der Stille
und es gibt Wege zu den begrabenen Träumen
jenseits des Wortes.
4.
Ich liebte keine keine Stadt
nur weil es mir in ihr gut erging
ich hasste keine Stadt
nur weil es mir in ihr schlecht erging
Sieben Tore
zur schönen Stadt
und meine Erinnerung betritt und verlässt sie
mit der Sonne und dem Sturm.
Lea Goldberg, Harcheq me’od, in: diies., ’Im ha-lajla ha-se (Mit dieser Nacht), Tel-Aviv 1970, 74-77.