Der Zauberhut

Lea Goldberg, Der Zauberhut

aus dem Hebräischen von Mirjam Tenbuß

Tag ein, Tag aus, Tag aus, Tag ein
Träum ich von einem Zauberhut, der zwar klein
Aber fein, von Federn umhüllt
Mir sogleich jeden Wunsch erfüllt.
Ich zieh ihn an und sag: "Nun gut,
mach dass ich groß bin, lieber Hut!"
Und siehe da, ich wachse geschwind,
und schwupsdiwups bin ich kaum mehr ein Kind,
auf der ganzen Welt gibt es keinen wie mich
denn weit und breit – die Größte bin ich.
Und alle starren, staunen und bewundern mich,
Ja tatsächlich, so riesig groß bin ich.
Und Mama sagt nicht: "Sei so nett
Es ist schon spät, nun ab ins Bett!"
Und Papa spart sich die tadelnden Worte:
"Halt dich raus aus Gesprächen der Erwachsenensorte!"
Und wenn ich rede, vernehmen sie mich.
Denn weit und breit – die Größte bin ich.

Tag ein, Tag aus, Tag aus, Tag ein
Träum ich von einem Zauberhut, der zwar klein
Aber fein, von Federn umhüllt
Mir sogleich jeden Wunsch erfüllt.
Zur zweiten Bitte fasse ich Mut:
"Werde zu einem Schiff, lieber Hut!"
Plötzlich springt er vom Kopf ins Meer,
und auf ihm segle ich durch die Welt, hin und her,
zu fernen Inseln, in ein fremdes Land,
von Ort zu Ort, an jeden Strand,
Ich sehe Städte, Erwachsene, kleine Kinder
Auch Perser, Schwarze und Inder,
und keiner wird wissen, niemand verstehen,
dass es ein Mädchen ist, das sie sehen.
Allein auf See, wenn mich verlässt der Mut,
sag ich bloß: "Ich will heim, lieber Hut!"
Mit vielen Geschenken komm ich nach Hause,
und erzähl meinen Freunden ohne Pause,
die um mich sitzend den Worten lauschen
und sich an meinen Geschichten berauschen,
nun wird es niemand mehr wagen zu sagen:
"Hör auf uns mit Lügengeschichten zu plagen!"

Tag ein, Tag aus, Tag aus, Tag ein
Träum ich von einem Zauberhut, klein aber fein
Aber wie und wo, an welchem Ort
Gibt es einen Hut, der mir gehorcht aufs Wort?
Mama und Papa will ich nicht fragen,
denn die Großen haben da eh nichts zu sagen.

Lea Goldberg, Kova‘ qsamim, Bnei Brak 2005.