In weiter Ferne
Lea Goldberg, In weiter Ferne
aus dem Hebräischen von Simon Meier
1. Sogar diese Landschaft
Sogar diese Landschaft
will nicht hören
die schönen Worte
die ich ihr anlegte,
sogar dieser liebliche Baum
befiehlt mir zu schweigen
und er bangt
dass ich nicht mit meinen Lippen sündige.
Meine Namen ähnelten einander
und dein Name lehnt am Fels,
Meine Namen hatten ein Echo
und dein Name raschelt im Geäst.
Meine Namen waren viele
doch den Erklärten1 sprach ich nie
Und jetzt
sündigen meine Lippen nicht mehr
dass so das Echo schweigt.
2. Und unter all den Toten
In weiter Ferne -
und niemand bittet mich.
Und wer geschworen hat
ward gebrochen
und wer gefangen war
kehrte nicht zurück.
Und unter all den Toten
die den Blick mir zuwandten
wollte nicht ein Einziger
von mir beweint werden.
3. Es ist nicht das Meer
Es ist nicht das Meer
das zwischen uns steht,
es ist nicht der Abgrund
der zwischen uns steht,
es ist nicht die Zeit
die zwischen uns steht;
es ist – unser beider Wir
das zwischen uns steht.
4. In weiter Ferne
In weiter Ferne
von allem -
von all den schönen Häusern
draußen auf den Straßen
vom verwehten Blatt
vom Schlüsselwort
dem von Weisen auf Pergament geprägten.
In weiter Ferne -
ging ich mit den Schiffen
und stand mit den Brücken
Ohne Sorge überschreite ich die Grenze zum Wandel.
Mein Liebhaber -
Jetzt
von diesem einen Tag
diesem vollkommenen
den ich immer erinnerte.
Meinen Augen fern
die Wolken und Welten sahen.
Inmitten meines Körpers der keine Antwort kennt.
Inmitten dieses Lichts
das das andere tötet
das noch-nicht-Erloschene.
5. Antwort
Und begehre nichts
Und beweine nichts
Und worüber du geweint hast
ist doch schon verblichen.
Lea Goldberg, Harcheq me’od, in: diies., ’Im ha-lajla ha-se (Mit dieser Nacht), Tel-Aviv 1970, 69-73.
1 Schem ha-meforasch: Name Gottes.